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Markus Homm: Meister Des Rhythmus


Franknova

Mit 12 Jahren haben Sie mit lateinamerikanischen Tänzen begonnen. Wie hat diese frühe Erfahrung Ihre Beziehung zur Musik geprägt und sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Ihrem Tanzhintergrund und Ihrem Interesse an elektronischer Musik?


Ja, das stimmt. Mein Vater war Musiker und spielte in einer Band. Dadurch war Musik eigentlich immer ein Teil meines Alltags – schon als Kind war ich ständig davon umgeben. Das hat mich früh fasziniert und nie losgelassen.


Mit zwölf Jahren hatte ich dann ein „Probevorspielen“ bei einem Schlagzeuglehrer. Schlagzeugspielen klang für mich damals natürlich spannender als Tanzen. Aber mein Vater war da sehr logisch: Er meinte, ich hätte schon eine Tanzpartnerin, aber eben noch kein Schlagzeug. Also sollte ich tanzen gehen.


Ehrlich gesagt fand ich das anfangs nicht besonders aufregend – aber mit 15 änderte sich das schlagartig, als mir auffiel, dass rund 80 Prozent meiner Tanzkollegen Mädchen waren. (lacht)

 

Kurz darauf kam dann die Leidenschaft für elektronische Musik. Ich war etwa 16, als ich begann, auszugehen, und landete immer auf dem „House Floor“. Diese Musik hat mich sofort gepackt. Damals konnte man die Tracks ja nur auf Vinyl kaufen, also besorgte ich mir meine ersten Technics-Plattenspieler – einfach, um die Clubmusik, die mich so begeisterte, auch zu Hause hören zu können.


Können Sie sich an Ihr allererstes DJ-Set erinnern? Welche Gefühle hatten Sie auf der Bühne und welche Lektionen haben Sie aus diesem Moment mitgenommen?


Das war in der Nähe von Stuttgart. Ein Freund von mir hatte Geburtstag und einen Club gemietet – wir sollten dort Musik machen. Für mich war das natürlich unglaublich spannend, weil es das erste Mal war, dass ich wirklich vor Leuten gespielt habe. Zum Glück war der Laden nicht komplett voll, denn rückblickend war das musikalisch natürlich noch weit entfernt von perfekt. (lacht)


Aber genau das war der Anfang – dieser Moment, in dem man merkt: Okay, das ist es. Das will ich machen.


Das Projekt Homm & Popoviciu erregte 2009 mit der „Silver Wedding EP“ bei Diynamic Music Aufmerksamkeit. Wie gestaltete sich der kreative Prozess dieses Projekts und gibt es aktuell noch eine Zusammenarbeit zwischen den beiden?


Mitte der 2000er-Jahre habe ich dann gemeinsam mit Mihai Popoviciu angefangen, Musik zu produzieren – damals unter dem Namen Homm & Popoviciu. Ich hatte zu dieser Zeit gerade erst mit dem Produzieren begonnen, und wir kamen musikalisch aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Das machte es spannend, weil wir beide unseren eigenen Sound mitgebracht haben und dann gemeinsam versucht haben, etwas Neues daraus zu formen.

 

Wir haben unglaublich viel Musik gemacht – vieles davon ist nie veröffentlicht worden, aber genau das war eine wichtige Lernphase. Mit der Zeit entwickelte sich dann ein Stil, der auch auf Labels wie Diynamic oder Highgrade veröffentlicht wurde. Darüber kamen wir schließlich auch ins Booking und konnten unsere Musik auf größeren Bühnen präsentieren.

 

Heute ist das Ganze natürlich schwieriger. Mihai ist sehr beschäftigt, ich bin viel unterwegs – da ist es gar nicht so leicht, sich zeitlich zusammenzufinden. Aber die Verbindung ist geblieben, und die gemeinsame Zeit war definitiv prägend für meine Entwicklung als Produzent.

Franknova

Bei Ihren minimalen und tiefgründigen Tracks: Wie setzen Sie kleine Mix-Details oder Effekte ein, um die Energie des Publikums gezielt zu steuern?


Das ist schwer zu sagen. Ich habe da eigentlich keinen festen Plan, wenn ich Musik mache. Mir ist vor allem ein bestimmter Groove wichtig – etwas, das fließt und gleichzeitig einen leicht hypnotischen Touch hat. Wenn man das kombiniert, beschreibt es wahrscheinlich ganz gut meinen Sound.


Aber ich gehe da nie mit einer klaren Vorstellung ins Studio. Ich lasse mich von der Stimmung leiten, und manchmal entsteht daraus eben genau das, was später veröffentlicht wird.


Wie hat die Zusammenarbeit mit Bondage Records seit Ihrem ersten Release Ihre musikalische Entwicklung beeinflusst?


Bei Bondage Records bin ich schon seit vielen Jahren, und in dieser Zeit hat sich musikalisch natürlich einiges verändert. Ich fand es immer großartig, dass ich dort von Anfang an die Freiheit hatte, auch Tracks zu veröffentlichen, die ein bisschen anders klangen als das, was damals üblich war.

 

Auf meiner ersten EP bei Bondage waren zum Beispiel auf der B-Seite oft Dub-House- oder Dub-Techno-Nummern – ein Sound, der zu dieser Zeit nicht unbedingt typisch war. Aber es hat funktioniert, und bei den späteren EPs landeten solche Stücke dann sogar auf der A-Seite.

 

Diese künstlerische Freiheit war für mich sehr wichtig. Bondage hat mir immer den Raum gegeben, Dinge auszuprobieren, die andere Labels vielleicht nicht sofort verstanden hätten. Dafür bin ich ihnen bis heute dankbar. Inzwischen ist Bondage ein absolut etabliertes und respektiertes Label, das nicht nur künstlerisch relevant geblieben ist, sondern auch im Vinyl-Bereich weiterhin stark performt.


Ihre Kollaboration mit Gorge, insbesondere die „Holos“-EP, hat die Energie Ihrer Live-Sets verändert. Können Sie ein interessantes Detail aus dem kreativen Prozess dieser Zusammenarbeit teilen?


Mit Gorge bin ich nicht nur musikalisch verbunden, sondern auch persönlich sehr eng befreundet. Wir ticken in vielen Dingen ähnlich, was die Zusammenarbeit extrem angenehm macht. Oft läuft es so, dass er zu mir aufs Land kommt – ich habe mein Studio zu Hause – und dann verbringen wir einfach ein paar Tage zusammen.

 

Das ist immer eine Mischung aus Studio, gemeinsam Kochen, Spaziergängen mit dem Hund und wieder Studio. So entstehen unsere Tracks – ganz organisch, ohne Druck, und das funktioniert für uns richtig gut.

 

Generell arbeite ich sehr gerne mit anderen Künstlern zusammen. Man lernt bei jeder Kollaboration etwas Neues, gerade als Produzent. Ich finde es wichtig, nie stehen zu bleiben, sich immer wieder zu hinterfragen und neugierig zu bleiben – auf neue Ideen, neue Herangehensweisen, neue Sounds.


Monoroom

Während der Pandemie, als Live-Auftritte ausblieben, welche Auswirkungen hatte diese Phase auf Ihre Musikproduktion und Ihren Stil?


Die Pandemiezeit war für mich persönlich kein großer Einschnitt. Ich hatte mein Studio ohnehin zu Hause, also konnte ich weiterarbeiten und sogar mehr Zeit im Studio verbringen – das war natürlich ein Vorteil. Was mir gefehlt hat, waren die Auftritte und das Reisen. Aber ehrlich gesagt war das damals völlig in Ordnung. Die Jahre davor waren sehr intensiv, und so war es auch mal schön, etwas zur Ruhe zu kommen und sich ganz auf die Musik zu konzentrieren.


Inwiefern spiegelt sich Ihr tänzerischer Hintergrund in Ihren DJ-Sets wider? Gibt es spezielle Momente, in denen die Perspektive eines Tänzers Ihre Entscheidungen auf der Bühne beeinflusst?


Nur weil ich eine Profi-Tanzkarriere hinter mir habe, heißt das nicht, dass ich hinter dem DJ-Pult wild herumspringe oder tanze. (lacht)


Das Zirkusprogramm mache ich nicht mit. Was ich allerdings vom Tanzen übernommen habe, ist der analytische Zugang zu Musik. Ich höre Rhythmen, Strukturen, Dynamiken – und versuche mir oft vorzustellen, wie sich das im Körper anfühlen würde.

 

Meine Sets sind generell sehr dynamisch. Ich mag es nicht, zwei Stunden lang denselben Vibe zu halten – da würde mir selbst langweilig werden. Für mich geht es darum, eine Geschichte zu erzählen, Spannung aufzubauen, auch mal etwas Unerwartetes einzubauen und natürlich mit den Emotionen der Zuhörer zu spielen.


Haben Sie vor einem Auftritt bestimmte Rituale oder Gewohnheiten? Wie tragen diese zu Ihrer Performance bei?


Nein, nicht wirklich. Ich bin da ziemlich entspannt. Ich bereite mich natürlich gut vor, aber ich brauche keine festen Rituale. Wenn ich merke, dass die Technik steht und der Sound passt, kann ich mich komplett auf die Musik konzentrieren – das ist für mich das Wichtigste.


Nach vielen Jahren auf der lokalen Szene: Welche Unterschiede und Herausforderungen haben sich für Sie beim Spielen auf internationalen Bühnen ergeben?


Die größte Herausforderung ist definitiv das viele Reisen – ständig unterwegs zu sein, zu fliegen, unterschiedliche Zeitzonen, Hotels. Ich habe mich damit im Laufe der Jahre gut arrangiert, aber es gibt Momente, da kommt man schon an seine Grenzen.

 

Trotzdem liebe ich es, neue Orte und Menschen kennenzulernen. Gleichzeitig spiele ich aber auch immer noch sehr gerne lokal. Es hat etwas Beruhigendes, einfach ins Auto zu steigen, selbst zum Gig zu fahren und abends wieder zu Hause zu sein.


Ich bereite mich auf meine Sets eigentlich nicht im Detail vor. Natürlich höre ich täglich Musik und habe immer eine große Auswahl an Tracks, aber ich plane keinen Abend komplett durch. Ich weiß ja nie genau, was mich erwartet – außer vielleicht bei einem Festival, wo man die Uhrzeit und das Setting kennt. Da denke ich dann schon etwas gezielter über die Musik nach.

 

Ansonsten verlasse ich mich auf das, was vor Ort passiert. Ich versuche, zuerst die Stimmung des Publikums zu spüren und dann darauf zu reagieren. So entsteht die Dynamik ganz natürlich – jedes Set ist anders, abhängig von der Energie im Raum. Für mich ist genau das der spannendste Teil beim Auflegen.



Wenn Sie zwischen analogem und digitalem Equipment wählen, worauf achten Sie besonders? Welche Ratschläge würden Sie jungen Produzenten geben?


Ich finde, beides ist wichtig – sowohl im DJ-Bereich als auch beim Produzieren. Ich unterrichte gerade einen jungen Schüler, der seit ein paar Monaten zu mir kommt, um das Auflegen zu lernen. Er übt sowohl mit Vinyl als auch mit CDJs. Es geht dabei gar nicht um „besser oder schlechter“, sondern darum, das Handwerk wirklich zu verstehen.


Ich finde, man sollte nicht immer nur nach Abkürzungen suchen. Selbst wenn man später ausschließlich digital spielt, schadet es nicht, auch das klassische Auflegen mit Platten gelernt zu haben.

 

Im April habe ich übrigens aus reiner Lust an der Sache einen YouTube-Kanal gestartet – Wax Lounge. Ich hatte wochenlang Platten sortiert, und irgendwann dachte ich: Warum nicht einfach ein Set aufnehmen und hochladen?


Hauptsächlich spiele ich dort Vinyl, und das Feedback ist bisher großartig. Es ist ein reines Herzensprojekt – eine Art Rückkehr zu dem Gefühl, das ich als junger DJ hatte.

 

Auch im Studio arbeite ich hybrid – also mit digitaler Software und analoger Hardware. Manche Geräte inspirieren mich einfach anders. Wenn man an einer Maschine sitzt, die ihre Grenzen hat, zwingt sie dich, kreativer zu denken. Oft entstehen dabei Sounds oder Arbeitsabläufe, die man rein digital vielleicht gar nicht gefunden hätte. Es geht nicht darum, was besser ist, sondern darum, was dich in dem Moment inspiriert.



Event


Für zukünftige Projekte: Wie planen Sie, Ihre bisherigen Erfahrungen und Ihren tänzerischen Hintergrund miteinander zu verbinden? Welchen wichtigsten Rat würden Sie jungen Künstlern geben?


Die wichtigste Erfahrung aus meiner Zeit im Tanzsport ist definitiv, mit Niederlagen und Rückschlägen umgehen zu können. Auch wenn ich auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicke, gab es viele Momente, in denen nicht alles perfekt lief. Aber genau daraus habe ich gelernt: aufzustehen, weiterzumachen, seinem Weg zu folgen – und nie aufzugeben.

 

Ich glaube, das ist eine der zentralen Lektionen – ganz gleich, ob in der Musik, in der Kunst oder in einem anderen Bereich. Dranbleiben, wenn andere schon aufgehört haben. Weiterzumachen, auch wenn es schwierig wird. Da trennt sich oft die Spreu vom Weizen – zwischen denen, die es wirklich wollen und alles dafür geben, und denen, für die es nur ein schönes Hobby bleibt. Leidenschaft, Ausdauer und Glaube an das, was man tut – das ist letztlich das Entscheidende.






 
 
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