Frank Nova: Ein Leben für den Groove
- housekeepinhn
- 1. Sept.
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Sept.

Wann hat dich die Musik so richtig gepackt und wie bist du dann ans DJ-Pult gekommen?
Angefangen hat bei mir alles 1991, mit gerade mal 12 Jahren. Ich saß daheim auf der Couch, nebenher lief - wie damals bei Jugendlichen üblich - MTV. Plötzlich wummerte „U96 – Das Boot“ von Alex Christensen aus den Boxen! Ich war sofort hin und weg. Klar hatte man schon irgendwie was von Dance-Music gehört, aber das war komplett kommerzielles Zeug gewesen wie z.B. 2 Unlimited und so. „Das Boot“ war ganz anders! Ziemlich undergroundig, ohne großartige Texte. Ich bin daraufhin sofort in den Laden und habe mir die Maxi-CD davon gekauft. Und so hat meine Sammelleidenschaft für Musik angefangen. Einige Jahre später, mit 18 Jahren, habe ich dann einen Plattenladen in Heilbronn entdeckt (Dreamworld Records) und mein ganzes Ausbildungsgehalt für Vinyl-Platten ausgegeben. Das war dann nochmals eine ganz andere Nummer als das Zeug, das im Fernsehen lief. Platten, die teilweise nur 300 mal gepresst wurden oder Whitelabels, auf denen nichts stand – kein Name, kein Track, einfach nur ein weißes Etikette. Dazu konnte man im Plattenladen Kontakte zu Clubbesitzern und anderen DJ’s knüpfen. Irgendwann hat dann mal einer gefragt, ob ich in seinem Club auflegen möchte.
Erinnerst du dich noch an deinen allerersten Gig? Was ging dir da durch den Kopf?
Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen. Herbst 1997. Ich durfte das Warm-Up in einem kleinen Heilbronner Club namens „Basement“ (damals in der Wilhelmstraße) spielen. Es war einfach nur schrecklich!!! Ich war dermaßen schlecht, dass ich mich nach dem Gig heimlich nach Hause geschlichen habe und drei Tage niemanden mehr sehen wollte. Ein paar Tage später rief mich zu meiner Verwunderung der Clubbesitzer wieder an und fragte mich, ob ich am Wochenende wieder auflegen könnte. Ich habe ihn zwar nie gefragt, aber ich glaube bis heute, dass er mich bei meinem „ersten Mal“ gar nicht gehört hat. Ist wahrscheinlich den ganzen Abend im Büro abgehangen oder so, sonst hätte er sich wahrscheinlich nie mehr bei mir gemeldet 😁
Wie hat sich dein Sound über die Jahre verändert? Oder bist du dir immer treu geblieben?
Mein Sound hat sich schon verändert. Zu Beginn hab ich härteren, loopigen Detroit-Techno gespielt. Jeff Mills, Joy Beltram, Carl Craig und sowas. Ein paar Jahre später, so um die Jahrtausendwende, hat sich mein Sound aber gewandelt. Aus Deutschland kamen immer coolere Einflüsse aus dem House-Bereich und insgesamt wurde der Sound grooviger. Die BPM-Zahlen fielen rapide nach unten. Früher waren 138 BPM normal. Dann ging‘s plötzlich runter auf 123. Und das hat gegrooved wie verrückt! Techno und House sind zu dem Zeitpunkt damals (ca. 2001) verschmolzen und ich bin jahrelang auf der Techhouse-Welle geritten. Bis heute halte ich an diesem Sound fest, auch wenn er zur Zeit nicht gerade angesagt ist. Aber ich mag es einfach, Sound zu spielen, der zwischen den beiden Genres Techno und House hin und hergleitet.
Gibt’s da ein paar alte House- oder Techno-Platten in deiner Sammlung, die du immer wieder rausziehst – so richtige Evergreens für dich?

Da gibt es sogar ganz viele!
Ich nenne mal meine aktuellen Top 5:
Einmusik – Jittery Heritage Part II
Jeff Mills – The Bells
Mano le tough – Primative People (Tale of us Remix)
Paul van Dyk – Forbidden Fruit
Djuma Soundsystem – Les Djinns (Trentemoller Remix)
Was bedeutet für dich das Auflegen mit Vinyl – und was macht den Unterschied zum digitalen Auflegen?
Im Grunde genommen gibt es nur einen wesentlichen Unterschied: Vinyl aufzulegen macht einfach viel mehr Spaß. Der Rest ist so eine elitäre Streitfrage, die mich oftmals nervt. Ein DJ hat zunächst eine wesentliche Aufgabe: Die Menge zum Tanzen zu bringen. Ob er das mit Vinyl oder USB-Stick schafft, ist erstmal egal. Natürlich ist es irgendwie magisch, zwei Platten zusammen zu mixen, ohne technische Hilfsmittel wie BPM-Zähler oder Sync-Button. Aber letztendlich ist es den Leuten auf der Tanzfläche egal. Die wollen einfach nur coole Tracks hören und feiern.
Stimmt es echt, dass du mal um die 20.000 Platten verkauft hast?
Was ging da ab – und wie sah deine Sammlung aus?
Ja, das war zu den Zeiten, als ich unter dem Pseudonym „Monoroom“ unterwegs war. Mit meinem Kumpel Oli Schleenvoigt hatten wir 2005 begonnen, erste Platten unter diesem Namen zu releasen. Dann, im Sommer 2007, wurde „Memory Inc.“ veröffentlicht. Mit nem richtig schönen Gui Boratto Remix. Das Ding ist plötzlich in die Charts geschossen, lief in den Clubs und Festivals hoch und runter. Es war crazy! Die Platte tauchte in den Playlists von illustren Leuten wie Boy George (Culture Club) oder Boris Dlugosch auf und brachte uns den internationalen Durchbruch, der bis 2012 anhielt.

Wie war die Clubszene früher hier in Heilbronn und generell im Südwesten?
Was vermisst du aus der Zeit am meisten?
Ob man es glaubt oder nicht, aber Heilbronn war in den 90ern ne richtig hippe Partystadt. Da gab es zum Beispiel die Alte Gießerei, die deutschlandweit in den Top 10 aller Clubs rangierte. Da haben Leute aufgelegt wie Carl Cox, Richie Hawtin, The Bucketheads, Josh Wink, Paul van Dyk usw… Sven Väth war mehrmals im Jahr da und hat sogar mal seinen Geburtstag in der Alten Gießerei gefeiert. Aber auch in Stuttgart gabs ne tolle Technoszene. Ich denke da zum Beispiel an das legendäre „M1“. Dort hab ich ein damals noch völlig unbekanntes DJ-Duo zum ersten mal live gehört: Daft Punk. Niemand kannte die. Wir sind auch nur zufällig im M1 gelandet, weil wir woanders nicht mehr reingekommen sind. Also gings zum alten Postverteilerzentrum im Bahnhofsviertel, dort wo heute das Milaneo steht. Der Eintritt war ziemlich teuer, das weiß ich noch, und wir haben überlegt, ob wir überhaupt reingehen sollen. Wer legt heute auf? So ne Band aus Paris, hieß es. Daft Punk heißen die. Bringen demnächst ihr erstes Album raus. Ok, dann hören wir uns die mal an… Ich bereue es bis heute nicht! Genau das fehlt mir heutzutage ein bisschen. Dieses „etwas entdecken“! Durch die mediale Reizüberflutung wird einem quasi alles nur noch aufgezwungen. Niemand entdeckt mehr etwas, was ich sehr schade finde. Denn wer etwas für sich entdeckt, lernt diese Sache ganz anders zu schätzen und hegt und pflegt sie und entwickelt seinen eigenen Geschmack.
Spürst du manchmal noch den Spirit von alten Raves oder Warehouse-Partys? Oder ist das alles vorbei?
Ich denke, es ist heute ähnlich, aber nicht gleich. Natürlich kommt es auch darauf an, wo man gerade ist. In Amsterdam oder Berlin gibt es sicherlich noch Locations oder Veranstaltungen, in denen der „alte“ Spirit besser zur Geltung kommt. Aber grundsätzlich macht jede Generation ihr eigenes Ding, so wie wir das damals eben auch gemacht haben. Der Fortschritt schreitet voran. Das gilt auch für die Musikszene.
Wie siehst du die Entwicklung von House und Techno? Was fehlt dir heute – was war früher einfach geiler?
Der Zeitgeist ist heute ein ganz anderer als damals, was aber völlig normal ist. Die Anfänge von Techno & House waren musikalisch gesehen simpler und geradliniger. Heutzutage kann man mit der ganzen Computertechnik aus Tracks immens viel herausholen. Damals standen noch analoge Musikgeräte (z.B. TR808 Drumcomputer, KORG M1…) in den Tonstudios, die aber in ihrer Funktion teilweise beschränkt waren. Man musste also viel mehr Fantasie und Produktionsgeschick einsetzen, um coole Ergebnisse zu erzielen. Dadurch entstanden jedoch einige zeitlose Klassiker, die bis heute standgehalten haben, z.B. Roger Sanchez – Another Chance. Eigentlich ein ganz simpler Track, der nur mit den Filtern spielt, aber eine enorme Wirkungskraft auf der Tanzfläche hat. Ähnlich beim ersten Daft Punk Album von 1997. Das ist quasi Punk Rock mit Techno/House-Beats. Die Tracks haben meistens nur ein Thema, werden aber durch die Synthieregler so moduliert, dass sie eine krasse Energie verbreiten. Hört euch zum Beispiel mal „Rock’n Roll“ oder „Burnin“ vom Daft Punk Album „Homework“ an. Das Album wurde teilweise mit primitivsten Mitteln im Schlafzimmer von Thomas Bangelter produziert (deswegen auch der Name „Homework“), wurde aber zum Meilenstein-Album der Band und ist bis heute für mich das beste Album im elektronischen Bereich. Heutzutage gibt es für mich kaum noch Tracks, die mich richtig umhauen. Klar, alles klingt besser und „fetter“ als früher, aber es ist auch alles irgendwie zum Einheitsbrei geworden. Das liegt auch daran, dass quasi Jeder Musik produzieren kann, also auch diejenigen, die wenig Talent haben. Die Software biegt das dann schon irgendwie hin. Es macht aber trotzdem einen immensen Unterschied aus, ob jemand mit Talent Musik produziert oder jemand, der „nur“ gerne Musik hört. Das gleiche gilt übrigens auch fürs DJing. Nur weil man gerne feiern geht, ist man nicht gleich ein guter DJ.
Welche Labels oder Releases aus der Oldschool-Zeit haben dich so richtig geprägt?
Anfangs fand ich die ganzen Sachen von Underground Resistance, Strictly Rhythm, R&S, Harthouse usw. richtig interessant. Auf „Underground Resistance“ kam 1996 der Überhit „DJ Rolando - Knights of the Jaguar“ raus. Ich bekam damals zufällig eine der ersten Pressungen, weil mein Plattendealer richtig auf Zack war und eine für mich zurückgelegt hatte! Auf „Strictly Rhythm“ wurde einer meiner Lieblingstracks released : „Wink - Higher States of Consciousness“. Später kamen dann Labels wie Get Physical, Stil vor Talent oder Cocoon mit coolem Output, um mal ein paar große Namen zu nennen. Natürlich habe ich viel lieber undergroundigeren Sound gespielt von Labels wie Poker Flat, Kompakt oder Playhouse (ich liebe ja die Platte „Fantasie Mädchen“), aber irgendwann musste ich mich entscheiden zwischen „purer Underground-Party“ oder größerer Gig vor mehreren hundert Leuten.
Du hast mal mit David Guetta aufgelegt – mit wem hast du sonst noch die Booth geteilt?
Das stimmt, 2005 hab ich in Madrid aufgelegt und durfte den Support für David Guetta spielen. Seine Musik gehört aber ganz bestimmt nicht zu meinen Favoriten. lach Auch sonst war’s ein recht skurriler Abend. David kam in den VIP-Bereich mit drei Bodyguards und hat alle rausschmeißen lassen, damit er mit seiner Entourage in Ruhe feiern konnte. Da habe ich andere große DJ-Kollegen deutlich besser in Erinnerung. Zum Beispiel Paul Kalbrenner, mit dem ich in den 2000er des Öfteren in Nürnberg aufgelegt hab oder Oliver Koletzki, mit dem ich im Bukowski bis in die Puppen gefeiert habe und wir fast seinen Rückflug nach Berlin verpasst haben. Ach, es waren so viele, dass ich gar nicht alle aufzählen kann. DJ Hell, Monika Kruse, Pan-Pot, Dominik Eulberg, Davide Squillace, &ME, Matthias Tanzmann, Kollektiv Turmstraße, H.o.s.h., Stimming, Karotte,…
Gab’s Gigs, die du nie vergessen wirst – egal ob’s komplett eskaliert ist oder total schief lief?
2008 hatte uns Molle (aka Mollono.Bass) zur Winter-Fusion gebucht, die es damals als Pendant zum Fusion Festival gab. Wir hatten unseren Live-Act auf Floor 1 (Techno-Floor). Auf Floor 2 (House-Floor) war ein damals unbekannter DJ am auflegen. Ich fand den Sound sofort richtig cool und blieb den ganzen Abend auf diesem kleinen Nebenfloor. Außer mir waren vielleicht noch eine Handvoll andere Leute am Tanzen. Später, als die Party fast zu Ende war, bin ich dann hoch zum DJ und hab ihn angesprochen und gemeint: „Ey, richtig cooler Sound. Lass mal Nummern austauschen und was zusammen starten.“ Er so: „Danke, können wir gerne machen. Ich bin Mladen. Als DJ heiße ich Solomun. Hab n kleines Label namens Diynamic…“. Das Ende vom Lied war, dass Solomun nen Remix für uns gemacht hat und ich ihn nach Heilbronn auf ne Party gebucht habe, wo er dann auch danach noch im Bukowski aufgelegt hat, weil er nen riesigen Spaß hatte. Ein paar Monate später ist sein Stern aufgegangen und heute ist er einer der bekanntesten DJ’s der Welt.

Was war bisher dein absolut verrücktester oder emotionalster Moment hinter den Decks?
Spontan fällt mir der Moment ein, als ich bei einem Open-Air-Gig in Rumänien am schwarzen Meer einfach 1 Stunde länger auflegen durfte, weil keiner heim gehen wollte und ich als Abschluss-Track „Memory Inc.“ gespielt hab. Die Sonne ging auf, das Licht spiegelte sich im Meer, die Leute applaudierten und es war einfach ein magischer, einzigartiger Moment.
Du bist ja auch schon lange Teil vom Phonk Magazin – einer der etabliertesten Medienplattformen der Region. Was genau machst du da, und wie kam’s dazu?
Die beiden ursprünglichen Phonk-Macher Saban und Michele hatten mich 2005 mit ihrer Idee von einem neuen Lifestyle-Magazin eingeweiht. Ich war sofort Feuer und Flamme und bekam daraufhin meine eigene Kolumne „Dottore Stefano Franco“. Es war eine Art Mix aus „MAD-Magazin“ und Oliver Kalkofe. Ein herrlicher Quatsch, in dem ich voll aufgehen konnte! Als ich dann mit Monoroom als DJ häufig auch international unterwegs war und keine Zeit mehr für die Kolumne hatte, blieb ich dem Magazin als freier Redakteur treu und schreibe heute noch ab und zu Artikel oder führe Interviews mit allerlei interessanten Leuten. Ich hab einfach eine Affinität zum Schreiben. Schon als Jugendlicher hab ich Kurzgeschichten, Essays und so geschrieben. Eine habe ich sogar bei einem Verlag veröffentlicht („Das scharlachrote Fahrrad“).

Was würdest du dir für die Club- und Musikszene in Heilbronn wünschen? Was fehlt, was braucht mehr Support?
Zunächst einmal wünsche ich euch, dass Eure neue Plattform „housekeepin.hn‘“ richtig viel Support erhält von allen Musiclovern der Stadt und Region. Zum anderen würde es mich freuen, wenn es wieder mehr junge Leute gäbe, die sich für den „Real-Houseshit“ interessieren würde. Mit allem, was dazu gehört: Supportet die Clubs, die coolen Partys und die DJ’s, die sich für die Musik den Arsch aufreißen. Die Realität sieht aber leider anders aus. Der Mainstream-Müll nimmt Überhand. „Keinemusik“ und „Afrohouse“ sind für mich schon fast Schimpfworte geworden. Neulich kam ne junge Dame zu mir ans DJ-Pult und wollte Hip Hop hören. Sag ich: „Ne, sorry. Ich spiel nur House.“ Sie geht weg, dreht sich aber dann nach ein paar Metern wieder um und kommt zurück. „Kannst du dann was von Keinemusik spielen…?“ Das gibt leider einen traurigen Einblick in den Zustand der „Szene“…
Stell dir vor, ein junger DJ steht vor dir und fragt nach einem Rat – was würdest du ihm oder ihr mitgeben?
Spiel kein Afrohouse! Nein, quatsch, ist natürlich nur Spaß!!! Ich glaube, es ist wichtig als Künstler zu begreifen, dass man seine musikalischen Fußspuren hinterlassen muss. Gerade junge Leute lassen sich oftmals von äußeren Faktoren beeinflussen, wie z.B. der Geschmack der Kumpels oder was gerade so angesagt ist. Deswegen rate ich jedem, sich selbst zu fragen, ob das, was man gerade tut, auch das ist, was man wirklich liebt?! Wenn nicht, lass es sein, denn dann hinterlässt man falsche Spuren und bereut es irgendwann in seinem Leben.
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